Die Europäische St.-Ulrichs-Stiftung hat ihren mit 10.000 Euro dotierten Preis an das internationale ökumenische Netzwerk „Miteinander für Europa“ verliehen. Die Feier fand am 3. Mai im Rahmen eines ökumenischen Gottesdienstes in der Basilika St. Peter in Dillingen an der Donau statt. Das seit 1999 europaweit aus rund 300 christlichen Bewegungen in 22 Ländern bestehende Netzwerk setzt sich für die Versöhnung und Freundschaft der Völker in Europa ein und baut durch Begegnungen und Konferenzen Brücken zwischen den verschiedenen Kirchen und Konfessionen sowie den Kulturen und Nationalitäten. Im Netzwerk haben sich katholische, evangelisch-lutherische und evangelisch-reformierte, orthodoxe, anglikanische und freikirchliche Christen zusammengefunden.

Eine nachhaltige Antwort auf die Suche der Menschen nach Gott
In seiner Laudatio würdigte der Präfekt der Ordenskongregation im Vatikan, Joao Kardinal Bráz de Aviz (Rom), das Miteinander-Netzwerk als eine der nachhaltigsten Antworten auf die Suche der Menschen in Europa nach Sinn und nach Gott. Es eröffne Räume für eine zukunftsweisende und solidarisch handelnde Vision von einer Einheit der Gegensätze. Die Gemeinschaften hätten im Miteinander für Europa ihre „gelegentlich eng gefasste Weltanschauung hinter sich gelassen“, um anderen Christen entgegenzugehen. Dieser Exodus bzw. Auszug aus dem Vertrauten führe zu einem „neuen Advent“, einer Ankunft des Anderen.
Räume der Liebe zwischen den getrennten Kirchen ermöglicht
Doch das Netzwerk sei nicht nur bei diesem spirituellen Aufbruch geblieben, sondern habe sich auch der Gesellschaft zugewandt und eröffne auch ihr Räume der Gemeinschaft mit Gott und den Menschen. Der Kardinal bezeichnete Jesus als die einigende Mitte, in der die Freundschaft mit dem Fremden möglich sei. In diesem Sinne brachte der Präfekt der Ordenskongregation auch seine Freude und Dankbarkeit zum Ausdruck über das ökumenische Zeugnis des Miteinander-Netzwerkes, das Räume der gegenseitigen Liebe zwischen den Kirchen schaffe und „hoffnungsvolle Zugänge zu dem noch Trennenden eröffnet“. Gleichzeitig seien die Preisträger Menschen, die aus der Rückbesinnung auf die geistig-geistlichen Grundlagen die christlichen Wurzeln des Kontinents gestalten wollen. Kardinal Bráz de Aviz zeigte sich im Anschluss an den Gottesdienst vom Miteinander für Europa so begeistert, dass er spontan die Mitgliedschaft im Netzwerk beantragte.

Brücken zur politischen Gemeinsamkeit auf Basis christlicher Werte
Für die Europäische St.-Ulrichs-Stiftung begründete der Dillinger Landrat Leo Schrell als Stiftungsvorsitzender die Preisverleihung. Das Miteinander-Netzwerk setze der Europamüdigkeit eine internationale Eigeninitiative entgegen. Es sehe sein wesentliches Ziel im Bau von Brücken der Verständigung und des Verstehens über Grenzen hinweg. Dabei gehe es nicht um Gleichmacherei, vielmehr fördere das Netzwerk die nationalen Identitäten und baue Brücken zur Verwirklichung der politischen Gemeinsamkeit. Diese Bewegung sei vom Geist des Evangeliums geprägt und inspiriere in ganz Europa Menschen zum gesellschaftlichen Einsatz.
Da der Ulrichs-Preis eine ökumenische Initiative ehre, finde die Preisverleihung erstmals in einem ökumenischen Gottesdienst statt. Damit solle der Wille zur Ökumene, zu einem Europa ohne Grenzen und einem Geist der Weltoffenheit zugleich zum Ausdruck kommen. Die positive Resonanz auf die Preisvergabe dokumentiere die Sehnsucht vieler Menschen nach einer Abkehr „von nationalistischen Irrwegen der Vergangenheit“. Das Miteinander-Netzwerk schaffe ein Bild von Europa, das nicht nur auf wirtschaftlichen Konzepten beruht, sondern „der Einheit Europas ein Gesicht“ gibt, wie es Bundeskanzlerin Angela Merkel gesagt hatte. Papst Benedikt XVI. habe die Initiative zudem als “glückliche ökumenische Intuition” bezeichnet.
Im Miteinander liegt die Zukunft Europas
Als ein Vertreter des Leitungskomitees von „Miteinander für Europa“ bedankte sich Gerhard Proß (CVJM Esslingen) für die Würdigung. Der Preis sei Ansporn für die Fortsetzung der Arbeit. Das Geld wolle man für die Arbeit unter jungen Menschen speziell in Osteuropa einsetzen. Gerade der nächsten Generation komme die Aufgabe zu, sich miteinander zu vernetzen und so die Zukunft Europas mitzugestalten. In einer Zeit, in der Nationalismen und Egoismen in Europa neu aufflammten, wolle das Netzwerk dazu beitragen, dass Europa seine Vielfalt als Reichtum entdecke: „Im Miteinander liegt die Zukunft Europas.“
In den christlichen Bewegungen lebe eine europäische und geistliche Einheit, die ein „Modell für das Haus Europa und für die eine Kirche Jesu Christi“ sein könnte. Der Geist Gottes habe den Bewegungen und Gemeinschaft geholfen, konfessionelle, nationale, spirituelle und kulturelle Grenzen zu überwinden. Daraus sei eine Liebe für Europa entstanden und eine Vision für den Kontinent – geleitet von der Aussage des früheren Präsidenten der EU-Kommission Jacques Delors: „Europa eine Seele geben“. Bei ihrem Europakongress im Jahr 2007 in Stuttgart hatte das Netzwerk eine siebenfaches Ja zur Mitgestaltung Europas auf der Grundlage der christlichen Werte formuliert: Ja zum Leben in allen seinen Phasen, Ja zu Ehe und Familie, zu den Armen, für Kinder und Jugendliche, für den Frieden, den Schutz der Natur und Ja zu einer Wirtschaft, die sich am Gemeinwohl orientiert.
Unter den Preisträgern bisher: Kohl, Herzog, Walesa
Die Europäische St.-Ulrichs-Stiftung ist 1993 aus Anlass des 1000. Jahrestages der Heiligsprechung von Bischof Ulrich als Stiftung des Landkreises Dillingen gegründet worden. Zweck der Stiftung ist die Förderung der Einheit Europas in christlich-abendländischer Tradition. Vorsitzender des Kuratoriums ist der Augsburger Bischof Dr. Konrad Zdarsa, der den ökumenischen Gottesdienst zusammen mit dem evangelischen Regionalbischof Oberkirchenrat Michael Grabow leitete. Bisherige Preisträger sind u.a. Altkanzler Helmut Kohl, Altbundespräsident Roman Herzog, der frühere polnische Präsident und Friedensnobelpreisträger Lech Walesa, der Prager Erzbischof Kardinal Miroslav Vlk und die Geigerin Anne Sophie Mutter.

Echos der Stifter, der Preisträger und der Gäste:

Bischof Konrad Zdarsa, Augsburg, Vorsitzender des Kuratoriums der Ulrichsstiftung
Für mich war das heute ganz neu! Die letzte Preisverleihung an Lech Walesa hatte einen ganz anderen Charakter, sehr viel staatsmännischer… Das hier war eine geistliche Gemeinschaft und da war große Einmütigkeit zu spüren. Und das hat eine Auswirkung auf beiden Ebenen: auf die Stadt und auf das Volk. Diese Bewegung hat die Zeichen der Zeit erkannt und weiß, wie sie sich vernetzen muss. Die Impulse für die Ökumene, die von hier ausgehen, sind unabhängig von der konfessionellen Tendenz in einer Gegend. Diejenigen, die sich diese Impulse zu eigen machen, werden gestärkt werden.

Landrat Leo Schrell, Dillingen, Vorsitzender der Ulrichsstiftung
Ich bin mehr als zufrieden! Wir haben einen tollen Preisträger: Die Ziele von „Miteinander für Europa“ decken sich zu 100% mit den Zielen der Europäischen St. Ulrichsstiftung. Es ist deutlich geworden, wie wichtig ein gemeinsames Europa in christlich-abendländischer Tradition für uns Menschen ist. Ich erhoffe mir, dass dadurch Toleranz gestärkt wird und ein gutes Miteinander entstehen kann – im Landkreis Dillingen aber natürlich auch darüber hinaus!

Stadtpfarrer Wolfgang Schneck, Dillingen
Ich sehe diesen Tag als Startpunkt. Daraus könnten sich durchaus Impulse auch für das Denken in unserer Stadt und für unsere Jugend ergeben.

Cesare Zucconi (Sant’Egidio Rom)

Das war ein Erlebnis, das Mut macht, diesen Weg der Versöhnung, der Freundschaft, der gegenseitigen Sympathie weiter zu gehen. Europa braucht Solidarität mit den Menschen und Völkern, die in einer Krise leben, da müssen wir mehr tun und Europa hat einen Auftrag in der Welt!

Friedrich Aschoff (Geistliche Gemeinde Erneuerung der evangelischen Kirche, einer der „Gründerväter“ von Miteinander für Europa)
Ich hätte mir eine solche breite Wirkung nicht erwartet und habe mich gefreut, dass auch an die Anfänge gedacht wurde. Die 7 ‘Ja’, die wir formuliert haben, müssen wir im gemeinsamen Gehen beherzigen. Nicht jeder kann jedes der ‘Ja’ umsetzen, aber im Miteinander wird die Fülle erreicht. Christus ist die Mitte, in ihm sind wir ein.

Michael Guttenberger (Vineyard München)
Mich hat die Rede des Kardinals sehr beeindruckt: An die Ränder gehen, rausgehen, nicht bei uns hängenbleiben, sondern die Welt im Blick haben.

Stefan Nicklas (CVJM München)
Mir ist das Wort vom „heruntergekommenen Gott“ geblieben, der randständige Gott, ein Gott mit Migrationshintergrund. Das spornt mich an, im Jugendzentrum in München, mich ganz für die Menschen zu verschenken, zuzuhören, ermutigen, die Hand auf die Schulter legen.

Text: Rainer Straub | Interviews: Andrea Fleming | Fotos: Heinrich Brehm und Ulrichsstiftung Dillingen